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Dr. Mathias Zucketto - Novelle zur Familiengeschichte aus Sicht des Jakob Zucketto  

Bei dem hier als Schreiber der Novelle auftretenden Jacobus handelt es sich um den Joes Jacobus Josephus Zucketto, meinem Ur-,Ur-,Ur-,Ur- Großvater.

Die in der Novelle vorkommenden Namen sind authentisch, ebenso die Zeiten, sofern sie mit Datum und/oder Monat und Jahr angegeben sind. Lediglich in den Fällen, wo nur ein Jahr angegeben ist, handelt es sich um ein errechnetes, beziehungsweise geschätztes Jahr, oder die Wiederholung vorheriger Daten. 

Historische Ereignisse aus Aachen, Würselen und der Umgebung sind fundierten Quellen entnommen, andere Ereignisse aus dem persönlichen Bereich hingegen erfunden oder vermutet. Mir geht es bei dieser Novelle darum, ein Bild der Zeitepoche, in die die französische Besetzung des Rheinlandes fiel, ortsnah darzustellen. Aus der eingeflochtenen Familien-Vorgeschichte, der "Moselsippe", angefangen von dem reichen und allseits geachteten "Stammvater" Francesco, dem "Banditen" Peter Zugetto der Schinderhannes-Bande, und der Verarmung der Familie des Jacobus, habe ich versucht darzustellen, wie nahe doch Reichtum und Armut beieinander sind und wie Kindersegen auch manchmal direkt in die Verarmung führte. 

Ich wünsche den Lesern eine gute Unterhaltung bei der Lektüre! 

Mathias Zucketto 

Im Jahre 2005

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 Ich bin Joes Jacobus Josephus, genannt Jacobus, im Mai 1734 in Aachen geboren und am 28. Mai 1734 in St. Foillan getauft worden. Mein Vater war Matthias Martinus, genannt Martin, meine Mutter Maria Gertrudis, genannt Gertrud. Die Taufpaten waren Jacobus Decker, Canonicus Capitalaris in St. Adalbert zu Aachen und Maria Graf.

Ich war das jüngste von den vier Kindern der Gertrud und des Martin. Mein Bruder Johannes Franciscus Josephus, genannt Franz, war im Januar 1724 auch in Aachen geboren, also 10 Jahre älter als ich. Bei ihm waren die Paten: unser Großvater Francesco, der Vater meines Vaters und Maria, die Schwester meiner Mutter. Ich hatte auch noch zwei Schwestern: Anna Sibylla Josepha, genannt Sibylla. Sie war 1725 in Aachen geboren. Hier waren die Paten der Großvater mütterlicherseits und die Großmutter Anna Sibylla aus Uerzig. Meine zweite Schwester Anna Magdalena Theresa wurde 1730 bei einem Aufenthalt meiner Eltern in Ürzig geboren und dort getauft. Pate waren bei ihr ein Priester Fridericus Wilhelms L.B. (Liber Baro = Freiherr) de Wilder, der Dekan am Münster in Aachen war und mütterlicherseits D. Maria Magdalena von Koppelstein, geborene Prinzessin de Varein.

Ich habe absichtlich die Taufpaten so detailliert aufgeführt, um zu zeigen, wie sehr unsere Familie mit den Eltern und auch mit dem Klerus verbunden war. Es war damals so üblich, dass die Eltern der Eheleute Taufpaten waren und die Täuflinge auch die Namen der Paten übernahmen. Meistens wurde der Rufname übernommen und weitere Namen hinzugefügt. Die Übernahme einer Patenschaft beinhaltete besondere Verpflichtungen, z.B. im Falle des Todes beider Eltern übernahmen die Paten die Elternpflichten. Es war eine besondere Ehre und Verantwortung, Pate zu sein. 

Mein Vater Martin (1700 – 1775) war ein geachteter Kaufmann. Meine Mutter stammte aus einer wohlhabenden Metzgerfamilie. Wir wohnten im Pfarrbezirk St. Peter in Aachen, im Grafschaftsbezirk „Coelnpooz“ (an der Mittelpforte des Coelntores). Vater handelte mit „Effekten“, das sind bewegliche Güter. Durch seine Heirat mit einer Aachenerin (in Ürzig) war er automatisch Aachener Bürger. Er unterhielt in Aachen ein Pfandleihgeschäft und pflegte gute Kontakte zur wohlhabenden Gesellschaft, ja sogar zum Adel. So war z. B. einer seiner Kunden der Graf Dal Pozzo aus Padua, für den er öfter in Maastricht einkaufte. Aber auch kleine Leute waren seine Kunden, die hin und wieder Bargeld brauchten und dafür Sachwerte an ihn verpfändeten, außerdem war er auch in Aachen als Weinhändler bekannt. Er war seit 1723 Weinhändler und Mitglied der „ Aachener Weinschule“.

Auch er selbst kam manchmal in Schwierigkeiten, wenn seine Kunden, wie vor erwähnter Graf, nicht zahlten. So mussten wir zeitweise selbst Kredite auf unser Haus aufnehmen. Im Jahre 1740 musste unser Haus sogar einmal öffentlich versteigert werden. Zum Glück hatte der Schwiegervater meines Vaters Vorkaufsrecht, das er geltend machte und das Haus übernahm. So konnten wir weiter dort wohnen. 

1740 war auch das Jahr, in dem ich in die Schule kam. Meine erste bewusste Erinnerung an Aachen habe ich an die Heiligtumsfahrt 1741. Ich war 7 Jahre alt. Es waren viele Pilger in Aachen. Das Pfandleihgeschäft und der Andenkenhandel liefen gut. Es kamen viele Gäste in unser Haus. In der Schule lernten wir lesen und schreiben und auch rechnen.In der Familie wurde deutsch gesprochen, so wie es hier in der Gegend üblich war. Vater sprach auch gut den Dialekt, der in Maastricht gesprochen wurde, weil er dort oft einkaufen ging. Er war unserem Dialekt sehr ähnlich. Er sprach aber auch französisch und etwas italienisch, das er in der Familie seines Vaters gelernt hatte. Eine weitere Erinnerung habe ich an ein großes Fest, das 1742 anlässlich der Krönung Karls VII. auf dem Lousberg in Aachen mit einem großen Feuerwerk gefeiert wurde. In der Stadt waren viele Musikanten und Gaukler mit tanzenden Bären.

In den Jahren 1758 bis 1762 gab es in Aachen französische Einquartierungen. Die Stadt musste sich hoch verschulden. Hinzu kamen Missernten und eine Viehseuche. Es herrschte Hungersnot und es gab Unruhen in der Stadt. Diebstähle und Raubüberfälle waren an der Tagesordnung, ein Bäckerladen wurde ausgeplündert. Es gab ungeheuer viele Bettler in der Stadt und eine Bettlerordnung. Nur wer ein Bettlerabzeichen hatte durfte betteln! 

Ungeachtet dessen vergnügten sich die reichen Kurgäste bei Bällen in den beiden Redouten, in der Komphausbadstraße. Auf dem Katschhof war ein Komödienhaus, das mit Opern, Lust- und Trauerspielen, Konzerten und Bällen aufwartete. In der "Beverie" nahe dem Adalbertstor gab es Spielsäle und einen Theatersaal mit Vorstellungen in französischer Sprache.

Erinnern kann ich mich auch als die neue Schulfibel bei uns eingeführt wurde. Das war 1744 und der Verfasser war ein Johann Schmidts. Im Jahre 1746 war für mich mit 12 Jahren die Schulausbildung zu Ende. Ich kam zur Lehre in das Geschäft meines Vaters, wo mein Bruder Franz auch schon tätig war. Meine Schwestern Magdalena und Theresa wurden von Mutter in hauswirtschaftlichen Dingen ausgebildet, nachdem sie die Schule beendet hatten.

Das Jahr 1748 war für Aachen sehr bedeutend wegen des "Aachener Friedenskongresses" zur Beendigung des österreichischen Erbfolgekrieges. Schon 1747 begannen die Vorbereitungen. Der Zustand der Straßen in Aachen war nicht besonders einladend. Es lag viel Unrat vor den Häusern, der oft lange dort lag und Gestank verbreitete. Eine öffentliche Müllabfuhr gab es damals noch nicht. Es gab aber jetzt eine Ratsverordnung (1747) zur Reinigung der Straßen. Bei uns wurde das schon immer durch ein privates Fuhrunternehmen einmal pro Woche gemacht.

Es gab auch eine neue Polizeiverordnung zum Schutz der Gesandten, die zum Kongress kamen. An vielen Stellen der Stadt wurden Grenzpfähle aufgestellt mit der Aufschrift "Neutralität". Ich weiß noch, dass es viele hohe Herrschaften zu dieser Zeit in Aachen gab, wie Grafen, Minister, kaiserliche und königliche Gesandte aus vielen Ländern. Sie wohnten bei namhaften Familien in herrschaftlichen Häusern oder in Hotels.

So konnte man in der Zeitung lesen: 

- Graf von Sandwich, englischer Minister, wohnt bei Thewis in der Edelstraße, später bei Couven Ecke Holzgraben / Ursulinerstraße,

- Graf de la Chavanne, sardinischer Gesandte bei Welter,

- Graf von Kaunitz – Rittberg, österreichischer Gesandte bei Gräfin von Goltstein, der

- französische Minister Comte de St. Severin d Áragon bei Wwe. Bouget,

- andere hohe Persönlichkeiten wohnten im Hotel "Goldener Drachen".

- Bei Bürgermeister Lamberts wohnte der spanische Gesandte de Lima y Soto Mayor.

Es entwickelte sich in der Stadt auch eine rege Bautätigkeit, so wurde die Tuchhalle am Katschhof zu einem Komödienhaus umgebaut. Konferenzräume wurden im Rathaus hergerichtet, dort hielt man auch Konzerte und Bälle ab. Im September gab es sogar einen Maskenball. Für das einfache Volk wurde ein Festzelt auf dem Lousberg aufgeschlagen. Dort gab es auch ein großes Feuerwerk zum Abschluss der Verträge. Am 30. April wurde ein Vorfriedensvertrag abgeschlossen zwischen Frankreich und den Seemächten (Einnahme Maastrichts durch französische Truppen). Später traten Sardinien und Österreich diesem Pakt bei. Die endgültige Unterzeichnung des Friedensvertrages erfolgte am 18. Oktober. Es folgte der Beitritt Spaniens, Genuas und Modenas sowie Österreichs. 

Unser Lehrer berichtete uns von einer Erfindung, die während der Vertragsverhandlungen von dem Bürgermeisterdiener Janssen gemacht wurde: Er benutzte eine besonders präparierte Stahlfeder statt eines bis dahin üblichen Federkiels. Das war bei uns zu Hause ein großes Thema, denn Vater wollte die Federn in sein Verkaufsprogramm nehmen. Es dauerte jedoch bis 1750, bevor er damit Erfolg hatte. 

Ich erinnere mich auch, dass unsere Mutter uns in dieser Zeit von den Umtrieben der Bockreiter im Landkreis Aachen erzählte. Sie haben in der Zeit von 1735 bis 1745 im Bereich der benachbarten Niederlande ihr Unwesen getrieben. Später von 1762 bis 1776 tauchten sie wieder auf. Viele wurden gefangen genommen und in der Burg in Herzogenrath, in der Nachbarschaft von Würselen, inhaftiert, gefoltert, gerichtet und bestraft. Die meisten kamen an den Galgen. In der Zeit von 1740 bis 1748 herrschten in den Niederlanden chaotische Zustände: 

Nach dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges 1701 bis 1714 wurde das Land „Overmaas“ österreichisches Gebiet. Es vagabundierten viele entlassene Söldner aus den verschiedensten Ländern dort umher, plünderten, raubten und brandschatzten, aber auch Einheimische trieben ihr Unwesen. Im Volksmund wurden sie „Bockreiter“ genannt. Uns Kinder schauderte es immer, wenn Mutter von den Bockreitern erzählte, die der Legende nach auf schwarzen Ziegenböcken wie Hexen durch die Luft von einem Ort zum anderen ritten. 

Vater hörte auch auf seinen Reisen nach Maastricht von diesen Bockreitern und von den furchtbaren Foltermethoden, die in Herzogenrath angewandt wurden. Es herrschte dort noch die von Kaiser Karl V. eingeführte Constitutio Criminalis Carolina, die sogenannte Peinliche Gerichtsordnung, auch kurz "Carolina" genannt. Im Aachener Reich waren die Folterungen seit 1740 ganz verboten worden. 

Ich wurde mit 12 Jahren 1746 in das Geschäft meines Vaters eingeführt. Mein Bruder Franz hatte schon vorher eine Lehre bei ihm gemacht. Im Jahre 1742 lernte er bei den Feierlichkeiten zur Krönung Karls VII. ein Mädchen aus Köln kennen. Sie hieß Helena, wir nannten sie "die Schöne". Sie war auch wirklich hübsch. Meine Eltern waren jedoch mit dieser Verbindung nicht einverstanden. Wir Kinder merkten dann auch sehr bald, dass Helena in guter Hoffnung war. Es gab zu Hause einen großen Krach. Das Ergebnis daraus war, dass Franz auszog. Er ging in das benachbarte Würselener Quartier und hatte dort eine Wohnung im Reichsdorf Drisch gefunden. Die beiden heirateten in der Pfarrkirche St. Johann Baptist in Köln am 14. August 1744. Am 19. September ließen sie ihr Kind Maria Catharina Gertrudis aber in St. Sebastian zu Würselen taufen. Sie hatte den Vornamen Gertrudis von unserer Mutter. 

Taufpaten jedoch waren Vater und Mutter der Helena aus dem Ortsteil Drisch in Würselen. Ich wurde so schon sehr früh Onkel. Bei der Taufe jedoch waren meine Eltern nicht mehr zu bewegen mitzufahren. Die Beziehungen waren sehr verhärtet und die Atmosphäre frostig geworden. 

Franz, der etwas von Tuchen verstand, war bei einem Nadlermeister in Würselen in Dienst gegangen. Die Nadelmacher, auch Nadler genannt, entwickelten sich damals aus der Kupferschläger- Zunft. Kupferschläger stellten Gegenstände und Beschläge aus Kupfer her, wie z.B. Kessel und andere Haushaltsgegenstände, aber auch Gewehre. Schon 1732 hatte sich eine Kupferschläger- Bruderschaft in Würselen gegründet. Die Mitglieder dieser Bruderschaft zahlten wöchentlich 1 Aachener Mark in die Kasse und erhielten im Krankheitsfalle oder in besonderen Notlagen aus dieser Kasse eine Leistung, z.B. ein Krankengeld von 36 Mark Aix wöchentlich. Aus dieser Kupferschläger- Bruderschaft entwickelte sich dann später die Nadler-Bruderschaft. 

Mit Franz und Helena hatten wir in den folgenden Jahren nur noch wenig Kontakt. Bevor ich selbst 1762, mit 28 Jahren also, in das Würselener Quartier ging, sind Franz und Helena nach Köln gegangen. Dort lebte auch seit 1725 mein Onkel Nicolaus aus Uerzig. 

Wir waren jetzt von 1744 an mit drei Jugendlichen im elterlichen Haus in Aachen: den Schwestern Sibylla (19) und Magdalena (14) und ich (10). Sibylla heiratete mit 29 Jahren 1754 in Aachen einen Joseph Theodor von Broich, aus einem bekannten Adelsgeschlecht, das im Aachener Raum ansässig war. Magdalena blieb unverheiratet und weiterhin im Geschäft des Vaters. 

Beim Stöbern in alten Akten entdeckte ich eines Tages ein Gerichtsprotokoll aus dem Jahre 1726. Mein Vater hatte damals einen Prozess gegen den Grafen Dal Pozzo aus Padua geführt. Es ging um 1.163 Courant, die mein Vater vom Grafen gefordert hatte für Einkäufe, die er für ihn in Maastricht getätigt hatte. Aufgeführt wurden: 24 Herrenhemden, 2 Frauenunterröcke, 1 Ballen Stoff und anderes mehr. Der Graf hingegen behauptete, er habe meinen Vater mit einem Mantel, besetzt mit wertvollen Silberknöpfen, als Tauschobjekt bezahlt. Den Mantel hatte mein Vater verkauft, weil der Graf nicht in der ausgemachten Frist bezahlt hatte. Der Erlös für den Mantel deckte jedoch die Schuldsumme des Grafen nicht ganz. Der musste schließlich noch etwas nachbezahlen, jedoch nicht die Summe, die Vater gefordert hatte. Es gab also einen Vergleich. 

Ein ganz großes Ereignis war der Prozess, den Vater 1755 gegen die Erben des Freiherrn von Gressenich geführt hat. Ich war damals schon 21 Jahre alt und kann mich gut daran erinnern. Es ging hierbei um eine Erbschaft meines Vaters aus dem Vermögen des Großvaters Francesco aus Uerzig, der 1737 verstorben war. Der Großvater hatte dem Freiherrn ein Darlehen von 2.407 Reichstaler gegeben und 1725 dafür als Sicherheit sein Rittergut zu Erlenbach verpfändet. Der Freiherr war inzwischen auch verstorben und so klagte mein Vater als Erbe des Darlehens gegen die Erben des Ritterguts zu Erlenbach. Beauftragt mit der Prozessführung in Koblenz wurde der bekannte Aachener Notar Johann Werner. Nach einem Jahr Prozessdauer gewann mein Vater. Die Erben vom Freiherrn von Gressenich wurden verurteilt, innerhalb von 3 Monaten die Summe von 2.407 Reichstaler mit einem Jahreszins von 5% zurück zu zahlen. Das waren allein über die Jahre 3.710 Reichstaler an Zinsen! Bei uns war die Freude groß! 

Zum besseren Verständnis meiner Familiengeschichte möchte ich an dieser Stelle etwas über meinen Großvater Francesco erzählen: 

Francesco ist etwa um 1680 – genau weiß ich das nicht – aus Italien nach Uerzig an der Mosel eingewandert. Er war Sohn eines Kaufmanns, der in Oberitalien lebte und mit Tuchen handelte. Turnusmäßig schickte ihn der Vater zu dem Tuchmarkt nach Uerzig um italienische Tuche zu verkaufen und holländische Tuche einzukaufen. Bei dieser Gelegenheit lernte er das Mädchen Sybilla Inglen kennen, die aus einer reichen Winzerfamilie stammte. Sie fanden Gefallen aneinander und heirateten. Der Großvater Francesco hatte von seinem Vater viel Geld geerbt. So blieb es in Uerzig nicht nur beim Tuchhandel. Der Umgang mit viel Geld verschaffte ihm Anerkennung und Hochachtung. 

So wurde er 1685 bereits Kirchenmeister und verwaltete das nicht unbeträchtliche Vermögen der Kirche in Uerzig. Zur damaligen Zeit verlieh die Kirche auch Geld, vornehmlich an Winzer, die in Not kamen, z.B. durch Missernten. Für das geliehene Geld mussten sie natürlich Zinsen zahlen. In Geldverleihgeschäften stark etabliert waren vor allem Juden, die oft stark überhöhte Zinsen forderten. Dem wirkte die Kirche, aber auch Francesco privat entgegen. Der Großvater verlangte 5% Jahreszinsen, ein damals üblicher und humaner Zinssatz. Francesco stieg sehr bald im Ansehen der Gemeinde. So wurde er 1722 zum „Hochgerichtsschöffen“ ernannt. Das war ein sehr hohes Ehrenamt. Bei Gerichtsprozessen und den Gemeindebeschlüssen hatte er ein gewichtiges Wort mitzureden. 

Vater erzählte uns oft vom Großvater. Er handelte auch mit Futtermitteln, mit Vieh und Wein, den er aus eigenen und gemieteten Weinbergen erntete. Er war der angesehenste Tuchhändler weit und breit und zahlte in Uerzig den höchsten Steuersatz. Auch sein Bruder Nicolaus, sein Sohn Bernhard und Franz waren hoch besteuerte Kaufleute in Uerzig. Mein Vater war 1700 geboren und schon vor 1723 nach Aachen ausgewandert, nachdem er in Uerzig meine Mutter Gertrud kennen gelernt und geheiratet hatte. Der Großvater sprach italienisch und deutsch. Da gab es auch noch einen Großonkel, der Johannes Baptista hieß und der 1716 an der Universität Duisburg zum Doktor Jur. promovierte. Ich habe ihn leider nie persönlich kennen gelernt. Auch den Bruder meines Vaters Bernhard, der 1710 in Trier den Baccalaureus ablegte und Philosophie studierte, habe ich nicht persönlich gekannt. 

Im Jahre 1760 gab es in Aachen ein starkes Erdbeben. Viele Häuser stürzten ein. Wir blieben, Gott sei Dank, verschont. Zwei französische Bataillione quartierten sich in Aachener Klöstern ein. Es gab viel Unruhe in der Stadt. 1762 machten die Franzosen in Aachen eine Bestandsaufnahme der Aachener Häuser wegen der bevorstehenden Einquartierung. Die Zählung ergab 2.160 Häuser. Wer keine Einquartierung nehmen wollte, musste ein Abgabe zahlen, d.h. sich loskaufen. Vater hat das getan. Mir wurde es in Aachen zu ungemütlich und ich zog, meinem Bruder Franz folgend, in das Würselener Quartier. Dort nahm ich eine Wohnung im Reichsdorf Grevenberg. Würselen wurde für mich für den Rest meines Lebens die neue Heimat. 

Deswegen will ich hier etwas über die Bedeutung dieses Ortes zu meiner Lebzeit erzählen. 

Das Aachener Reich war verwaltungsmäßig unterteilt in 6 Quartiere: Laurensberg, Orsbach, Vaals, Haaren, Würselen und Weiden. Die drei letztgenannten bildeten die s.g.“ Quartiere over Worm.“ Ich zog also in das Quartier Würselen, in das hierzu gehörende Reichsdorf Grevenberg. Weiterhin gehörten zu dem Quartier Würselen das Kirchdorf Würselen um die Kirche St. Sebastian herum, die Dörfer Bissen, Elchenrath, Grevenberg, Scherberg, Schweilbach Morsbach, Neuhaus, Prick, Wolfsfurth, Adamsmühle, Teut, Teuter Haus, und Pumpenhäuschen. Zum Quartier Weiden, dem Nachbarquartier, gehörten die Dörfer Weiden, Haal, Oppen, Dommerswinkel, Dobach und St. Jobs. 

Der Pfarrbezirk Würselen (St. Sebastian) bestand zu dieser Zeit (1762) aus den Dörfern: Elchenrath, Grevenberg, Morsbach, Oppen, Haal, Scherberg, Schweilbach, Würselen, Weiden, Dobach, Dommerswinkel. Zu ihm gehörten also auch Teile des Weidener Quartiers. Die Pfarrkirche St. Sebastian hatte Sendgerichtbarkeit. Es herrschte also kirchliche Rechtsprechung!  

Aachen war mit dem Würselener Quartier verbunden durch eine Straße, die in Aachen „Sandkuhl Steenweg“ hieß. Es war eine befestigte Straße, die in der Nähe unseres Aachener Hauses zum Quartier Würselen führte, vorbei an „Neuhaus“  (Newhauß) und direkt an dem Reichsdorf Grevenberg vorbei. Über Neuhaus gab es dann einen direkten Weg zur Pfarrkirche St. Sebastian. Die vorerwähnte Strasse von Aachen kommend wurde später als „Duisburger Departementstrasse“ ausgebaut. Erst 1814 wurde sie von Würselen weiter nach Alsdorf ausgebaut. Mittwochs und samstags gab es einen Postverkehr zwischen Aachen und dem Quartier Würselen. 

Die oben erwähnte Straße von Aachen kommend, bildete innerhalb des Quartiers eine Grenze zwischen den großen, dicht bebauten Dörfern Morsbach, Schweilbach und Scherberg im westlichen Teil und den Dörfern Grevenberg, Elchenrath, Bissen, Kirchdorf Würselen mit einem Dorfplatz und Drisch, Oppen und Haal auf östlicher Seite. 

Das Quartier Würselen war gegen das Herzogtum Jülich durch eine Landwehr, „Landgraben“ genannt, geschützt. (Siehe“ IV Carte du Duche de Limbourg“ mit Landwehrgraben). Das war ein bepflanzter Wall, der das Territorium der Reichsstadt Aachen schützen sollte. Ein Wachturm lag östlich von Morsbach. Die Straßendurchfahrt war mit einer Schranke gesichert.

Die „Bockreiter“, die ab 1762 bis 1776 erneut ihr Unwesen trieben, griffen das Würselener Quartier nicht an, wohl aber gab es Übergriffe in Bardenberg, das zum Jülicher Reich gehörte und in unmittelbarer Nachbarschaft von Morsbach lag. 

Am 20. April 1792 erklärte Frankreich den Krieg an Österreich (in Holland ansässig). Es kam zu einer Schlacht, in der sich 70.000 Franzosen und 35.000 Österreicher gegenüber standen. Frankreich verlor diese Schlacht. Am 27. Juni 1792 erklärte Preußen Frankreich den Krieg. In den Jahren 1793 und 1794 erlebten wir viele Truppendurchzüge mit Verwundeten und kranken Franzosen und Österreichern, die zum Teil in Aachen blieben. In dieser Zeit gab es in Aachen viele Querelen mit der Bürgermeisterwahl, die schließlich durch ein kaiserliches Dekret beendet wurden. In Frankreich brodelte es ebenfalls. Die Missstände führten schließlich zur Französischen Revolution mit der Erstürmung der Bastille am 14. Juli 1789. 

Nach der verlorenen Schacht (1793) erholte sich die französische Armee wieder und griff erneut an. Diesmal war sie siegreich und rückte schnell in Richtung Maastricht gegen Aachen vor. Robespierre hatte Aachen zur Plünderung und Brandschatzung freigegeben und General Jourdan rückte unaufhaltsam vor. Viele Aachener flohen in Richtung Eifel und nach Köln. In dem Würselen benachbarten Haaren plünderten französische Truppen die Pfarrei und Bauernhöfe und misshandelten die Bevölkerung. In Würselen blieben wir verschont.  

Die Franzosen kamen über den Kaninsberg und drängten auf Aachen zu. Dort wurden sie jedoch von kaiserlichen Scharfschützen aufgehalten, die mit Jubel der Bevölkerung empfangen wurden. Zusammen mit einigen Ulanen schlugen sie die Franzosen und zogen zur Stadt Aachen, wo sie die dort eingesickerte französische Vorhut gefangen nahm. Sie fällten den Freiheitsbaum auf dem Marktplatz und die Bevölkerung jubelte. Erzherzog Karl hoffte, in Herzogenrath auf die Franzosen zu stoßen. Die Verschanzungen in Rolduc wurden kampflos genommen, erst in Heerlen stieß er auf Widerstand, den er brach und abends bereits in Valkenburg einzog. Graf Latour rückte über Linnich siegreich nach Geilenkirchen vor und der Prinz von Württemberg nahm Eschweiler und Stolberg, schließlich auch Kornelimünster und Aachen.  

Die Freude über den Sieg dauerte jedoch nicht lange. Die in Herzogenrath verdrängten Franzosen hatten sich gesammelt und kamen mit 2000 Mann aus Kohlscheid auf Aachen zu. Sie sprengten mit Kanonenschüssen das Ponttor, besetzten die Stadt und schlossen die Stadttore. Schließlich kamen 600 Mann kaiserliche Truppen zum Kaninsberg und stellten sich im Wingertberg auf, um auf Verstärkung zu warten. Die Österreicher hatten inzwischen den Salvatorberg und den Lousberg besetzt. 

Von beiden Seiten wurde mit Kanonen geschossen. Nach einer etwa einstündigen Kanonade stürmten die Österreicher die Stadt Aachen von drei Seiten: vom Ponttor, vom Kölntor und vom Büchel. Die Franzosen flohen aus der Stadt über die Jakobstraße aus dem Jakobstor. Die Aachener Bürger griffen in den Kampf ein und eroberten auf der Jakobstraße zwei französische Kanonen. Schließlich wurden die Franzosen bis Henri – Chapelle zurückgedrängt. 

Die Zeitungen, die mein Sohn Henricus aus Aachen mitbrachte, berichteten über diese Kämpfe ausführlich. Es waren 53 Franzosen in Aachen gefallen, 200 Gefangene wurden gemacht, 5 österreichische Soldaten starben. Würselen blieb von diesen Kämpfen weitgehend verschont.  Ich hatte eine gute Entscheidung getroffen dorthin zu gehen. 

Doch nun vom Kriegsschauplatz zurück nach Würselen: Der überwiegende Teil der Bevölkerung in Würselen lebte von der Land- und Forstwirtschaft. Es gab Schleif-, Öl-, Walk- und Papiermühlen sowie Kupfermühlen. Im gewerblichen Bereich: Bäcker, Brauer , Fuhrleute, Nagler, Wagen- und Hufschmiede, Kupferschläger und Nadler, aber auch Tuchscherer, Weber und Spinner. 

Zu meiner Zeit war gerade der Umbruch von reiner Landwirtschaft als Erwerbsquelle zu einer gewerblichen Ausrichtung. Wer in Würselen ein Handwerk ausüben wollte, musste sich einer Zunft in Aachen anschließen. Seit dem Mittelalter gab es aber auch in Würselen Kohleabbaustellen, vor allem im Bereich Morsbach und weiter in Richtung Bardenberg und Burg Wilhelmstein, die aber, wie erwähnt, zum Herzogtum Jülich gehörten. Was es in Würselen jedoch nicht gab, war reiner Handel, wie ich ihn bei meinem Vater gelernt hatte. Bedarfsartikel, wie Kleider, Schuhe, andere Lederwaren, Knöpfe, Geschirr usw. musste man in Aachen kaufen. 

So beschloss ich im Alter von 28 Jahren, ein Handelsgeschäft anzufangen. Dazu benötigte ich nicht mehr als zunächst einen Handkarren, den ich selbst ziehen konnte und die verschiedensten Bedarfsartikel, die ich bei meinem Vater kaufen konnte. So organisierte ich mir Verkaufsrunden in den einzelnen Dörfern des Quartiers Würselen, verkaufte bei Bauern und Handwerkern Gegenstände des täglichen Gebrauchs und nahm auch gleich Bestellungen auf für Sachen, die ich dann für die nächste Verkaufsrunde mitbrachte, oder kleinere Dinge, die ich auch mit der Post schicken ließ.  

Was das Gesellschaftliche Leben in Würselen betraf, so war es sehr stark vom Einfluss der katholischen Kirche geprägt. Es herrschte, wie bereits gesagt, „Sendgerichtsbarkeit“ der Kirche in Würselen, das zum Aachener Reich gehörte. Zu meiner Zeit gehörten zur Pfarre „St. Sebastian“ die Ortsteile: Drisch, Haal, Oppen, Bissen, Markt, Prick, Grevenberg, Scherberg, Morsbach, Schweilbach und Elchenrath. Das Ganze nannte man „das Krirchspiel Würselen“. Die Kirche zu Würselen wurde erstmals im Jahre 870 erwähnt bei einer Schenkung König Ludwig des Deutschen an den Abt Ansbold des Klosters Prüm. Sie wird als Kirche gelegen zu „uuormsalt “bezeichnet. 

Eine weitere wichtige Institution im Würselen der damaligen Zeit war die Schützenbruderschaft, die seit 1624 existierte. In Friedenszeiten hielt sie, wie auch heute noch regelmäßig ihre Versammlungen und Schießübungen ab. Der Höhepunkt war alljährlich das Königsvogelschießen, bei dem ein König ermittelt wurde, der für ein Jahr regierte. In Kriegszeiten wurden die Schützen jedoch auch zur Verteidigung ihres Ortes herangezogen. Sie stellten zu besonderen kirchlichen Veranstaltungen, wie z.B. beim Fronleichnamszug die Eskorte. Im Jahr 1762, als ich nach Würselen kam, war ein „Joannes Krütz“ Schützenkönig. 

Das Jahr 1763 war für mich ein besonderes Jahr. Wie damals üblich erfolgte in der Nacht zum 1. Mai ein sogenanntes „Maisingen“. Dies ist ein altes Brauchtum, bei dem die Elemente des mittelalterlichen Lehnswesens zum Ausdruck kommen. Der Lehnsherr hatte früher das Recht, eine eheliche Verbindung seiner Abhängigen zu genehmigen oder zu verbieten. So heißt es in dem Lied, das die „Maijungen“ vor der Haustüre der Angebeteten sangen: 

Höret, höret alle meinen Reden zu,
was der Maikönig euch befiehlt zu tun:
Er befiehlt nach seinem Rechte,
dat zwei sich bejene soll dooe.
Dat soll se, weä soll dat se?
Dat soll se met Nam jenannt:
--Name des Paares –
Es et üch allemoele lejjv? 

Ich hörte in diesem Jahr erstmalig dieses Mailied und ich beschloss, mich diesen Maijungen anzuschließen und die darauf folgenden Feste mit Maitanz und Kirmes mitzumachen. Bei diesen Gelegenheiten lernte ich meine zukünftige Frau Maria Catharina Cleuther kennen. Sie stammte aus Morsbach, einem Nachbardorf von Grevenberg. Wir heirateten am 28. Juni 1764 in der Pfarrkirche St. Sebastian in Würselen. Zugegen waren meine Eltern, mein Bruder Franz mit seiner Frau Helena, die 1744 auch in St. Sebastian geheiratet hatten, aber nachher nach Köln verzogen waren, sowie meine Schwester Anna Sibylla Josepha Theresa mit ihrem Mann Johann Theodor von Broich und die Schwester Anna Maria Magdalena Theresa, die noch unverheiratet war. Natürlich waren auch die Eltern meiner Frau und ihre Geschwister zugegen. 

Mein Vater hatte für die ganze Hochzeitsgesellschaft ein schönes Fest ausgerichtet. Wir fuhren alle mit zwei Leiterwagen auf die Schützenfestwiese, wo uns eine kleine Kapelle mit Musik und Tanz erwartete. Der Festwirt hatte uns ein köstliches Mahl hergerichtet und mein Vater lieferte aus seinem Weinkeller einen guten Moselwein von unseren Ürziger Verwandten. Ich erinnerte mich bei dieser Gelegenheit an die rauschenden Hochzeitsfeierlichkeiten meiner Schwester Anna Sibylla mit Johann Theodor von Broich im Jahre 1754 auf dem „Broicher Hof“ zu Dürwiß, an denen ich als 20 jähriger teilnehmen durfte. So vornehm ging es bei uns nicht zu, aber sicher war es genau so lustig! 

Ich lebte mit meiner Frau Maria Catharina in einer langen und glücklichen Ehe. Sie schenkte mir in den 13 Jahren unserer Ehe 10 Kinder und verstarb leider bei der Geburt des 10. Kindes Maria Margaretha im Jahre 1777. Ich ging meiner Tätigkeit als reisender Händler regelmäßig nach. Die Geschäfte gingen gut. Ich konnte mir sogar einen kleinen Pferdekarren mit einem Pferd anschaffen, was meine Reisetätigkeit doch sehr erleichterte. So konnte ich meine Warenbestände wöchentlich einmal beim Einkauf in Aachen auffüllen und hatte weniger Lager- und Kapitalkosten. Die ersten drei Kinder unserer Ehe waren alles Mädchen: Anna Maria Theresa (*Jan. 1766), Maria Catharina (*Dez. 1766), Maria Barbara (* 1768). 

Im Jahre 1768 gab es eine starke Teuerung am Markt. Meine Geschäfte liefen bei der Struktur meiner Kundschaft schlechter. Es wurde bei uns finanziell enger. Da wir aber inzwischen ein eigenes Haus und von meiner Frau Landbesitz geerbt hatten, ging es uns noch nicht ganz so schlecht. Nach der Aachener Heiligtumsfahrt 1769, die besonders für die Geschäfte meines Vaters von Bedeutung war, wurde unser Stammhalter Heinrich Franz (Henricus Franciscus) im Jahre 1770 geboren und in St. Sebastian zu Würselen getauft. Er erhielt den Namen Franciscus zum Andenken an meinen verehrten Großvater „Francesco“, dem Stammvater unserer Sippe, der, wie berichtet, aus Italien an die Mosel gekommen war (er starb 1737 in Üerzig)  Nach Heinrich Franz gab es zwischen 1771 und 1777 noch 6 Kinder. Davon waren 3 Mädchen und 3 Jungen (jedes Jahr ein Kind).Dieser Kindersegen, das muss ich zugeben, war in dieser Menge nicht gewollt, aber wir lebten in einer streng katholischen Ehe und mussten es so nehmen, wie Gott es uns gab. 

Beim letzten Kind, der Maria Margarethe, starb meine Frau im Kindsbett. Ich war 43 Jahre alt, das älteste Kind war Anna Maria Theresa mit 11 Jahren, danach kamen Maria Catharina mit 10, Maria Barbara mit 9 und Henricus mit 7 Jahren. Dann waren da noch Anna Maria mit 6, Jacob mit 4, Maria Gertrud mit 3, Johann Jacob mit 2, Johann Josef mit 1 Jahr und die Neugeborene Maria Margareta. Für die Schule hatten wir kein Geld, nur Henricus durfte zur Schule, die drei ältesten Mädchen versorgten den Haushalt und die kleinen Geschwister. 

Mit 12 Jahren (1782) begleitete mich mein Sohn Henricus auf den Verkaufsfahrten. Das Leben war für uns sehr beschwerlich. Als die zweitälteste Maria Catharina und das dritte Kind Maria Barbara kurz hintereinander starben, war der Zustand nicht mehr tragbar. Ich musste mir eine neue Frau suchen, die sich um Haushalt und Kinder kümmern konnte. So heiratete ich 1790 mit 56 Jahren ein zweites Mal. Meine Frau wurde Maria Elisabeth Kelleter, sie war unverheiratet und 45 Jahre alt. 

Im Geburtsjahr des Heinrich Franz 1770 gab es hier in der Gegend ein starkes Erdbeben. Unser Haus und auch das Haus meines Vaters in Aachen blieben verschont, aber es gab viele Häuser in Aachen und Würselen, die einstürzten oder stark beschädigt wurden. Nach der Geburt unseres Stammhalters Heinrich Franz ging es uns wirtschaftlich nicht mehr so gut, wie ich zuvor schon berichtete. 1773 mussten wir versuchen unsere Einkünfte aufzubessern. Wir verkauften aus dem Erbe meiner ersten Frau ein Stück Wiese an Heinrich Kahlen und seine Ehefrau Lucia geb. Rihs. 

Durch den ständigen direkten Kontakt mit meinen Eltern erfuhr ich auch so manches von den Verwandten, die in Üerzig lebten. Von den Geschwistern meines Vaters, also meinen Onkeln und Tanten, waren bereits verstorben: Catharina (1738), Bernhard (1743), Anna Margaretha (1751), Franz (1771). Schließlich verstarb 1775 auch mein Vater.  

In Uerzig hatte ich zahlreiche Vettern und Cousinen. Der Bruder Franz (jun) meines Vaters hatte Anna Maria Steilen, ein Winzertochter geheiratet und damit den Grundstein für eine lange Winzergeschichte unserer Familie an der Mosel gelegt. Sie hatten 2 Söhne, die ebenfalls in Winzerfamilien einheirateten (Neytschert und Scherr), sowie 5 Töchter, von denen drei auch Winzer heirateten (Coenen, Schaaf, Bast). 

Im Jahre 1792 ging es uns in Würselen sehr schlecht. Meine Geschäfte florierten nicht mehr. Andere Arbeit fand ich nicht. Ich verdiente mir hin und wieder etwas Geld mit Anstreichen. Letzlich blieb uns nichts anderes über, als unser Haus in Grevenberg, das wir von meiner ersten Frau geerbt hatten, zu verkaufen und darin selbst weiter gegen Miete zu wohnen. Wir verkauften es am 19. Mai 1792 an Johann Capellmann und Maria Capellmann, geborene Kohr für 200 Reichsthaler zu je 54 Mark Aix. Wir erhielten das Geld bar. Die Kosten für die notarielle Übernahme zahlte der Käufer. Wir erhielten per Vertrag das Recht, innerhalb von 6 Jahren das Geld bar zurück zu zahlen. Gegen eine Miete von 10 Rth. jährlich konnten wir das Haus weiter bewohnen. 

Als Zeugen unterschrieben: mein Sohn Heinrich mit seiner Frau Maria Anna Zucketto geborene Feiter, sowie meine älteste Tochter Anna Maria Theresa Zucketto und Anna Maria Zucketto, unser 5. Kind aus erster Ehe. Die anderen Kinder waren noch nicht mündig. Dieser Hausverkauf war ein trauriger Anlass, zu dem wir nach Aachen pilgern mussten. Mein Sohn Heinrich hatte mit 22 Jahren im April 1792 die Gärtnerin Anna Maria Feiter aus Grevenberg geheiratet. Sie wohnten in unserer Nachbarschaft. Er führte mein Handelsgeschäft weiter, um seine eigene Familie zu ernähren.

Das Jahr 1792 war für das Rheinland ein sehr bedeutendes Jahr. Mit diesem Jahr begann die "Franzosenzeit". Hierüber habe ich vorab schon kurz berichtet. Die französische Revolutionsarmee besetzte am 16. Dezember Aachen. Wie zuvor überall in Frankreich, errichteten sie einen so genannten „Freiheitsbaum“ in Aachen. Überall verkündete man die neue Parole der Revolution: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ (liberté, egalité et fraternité). Im Januar 1793 wurde in Aachen der erste "Jacobinerklub" gegründet. 

Am 10. März 1793 gab es in Aachen ein großes "Befreiungsfest". Auch in Würselen erlebten wir den Rückzug der französischen Truppen. Sie zogen nach Limburg und die Gefangenen und Verwundeten nach Aachen. Die Verwundeten wurden bei den Dominikanern und den Franziskaner untergebracht, die Gefangenen im Grashaus in Aachen eingesperrt. 

Mein Sohn Heinrich hatte schon vor seiner Heirat mit 22 Jahren mein Handelsgeschäft erneut in Angriff genommen. Durch den Hausverkauf hatten wir wieder etwas Bargeld, das wir in diesen Neuanfang des Geschäftes investierten. Von einer Einkaufsfahrt meines Sohnes nach Aachen hörten wir dann auch über die Veränderungen in Aachen.  Im August 1794 wurden die Reichsinsignien und der Domschatz von Aachen nach Paderborn ausgelagert. Für uns ein Zeichen, dass man Angst hatte, dass die Franzosen wieder kommen würden! So geschah es dann auch: am 23. September 1794 zogen die Revolutionstruppen der Franzosen erneut in Aachen ein. 

Lüttich fiel in die Hand der Franzosen. Im August 1794 war klar, dass die Franzosen nicht aufzuhalten waren. Man fürchtete das Schlimmste für Aachen: die Rache für die Vertreibung der Franzosen im vorhergehenden Jahr. Am 25. September 1793 hatte Robespiere bereits einen Beschluss des Convents herbeigeführt, Aachen zu plündern und zu brandschatzen als Strafe für die Beteiligung der Aachener Bürger an der Vertreibung der Franzosen. Das Aachener Ratsmitglied Dr. Vossen hatte von einem französischen Freund davon gehört. Im Aachener Rat wurde beschlossen, dass eine Abordnung der Stadt bestehend aus den Ratsmitgliedern Cromm und Dr. Vossen als Parlamentäre der französischen Generalität die Schlüssel des Jakobstores überreichen sollten, zwecks Abwendung des Übels der Zerstörung der Stadt. 

Die Delegation zog zu Pferde mit einer weißen Fahne den Franzosen entgegen. Sie trafen den französischen General Hatry in Henri-Capelle. Er machte ihnen wenig Hoffnung, dass ihre Bitte vom Chef General Jourdan erhört würde. Sie ritten weiter nach Herv, wo der General weilte. Sie brachten ihre Bitte vor, aber der General tobte. Alles schien schon verloren, als in Obersten Mariete ein Retter erschien. 

Er kam leicht verwundet in den Saal und wurde von dem General mit lautem Jubel begrüßt, denn er hatte ihn schon vermisst gemeldet. Als Mariete die beiden Aachener sah, umarmte er sofort den Ratsherrn Cromm und rief laut : "Die Stadt wird gerettet werden, oder ich werde untergehen!" Er erzählte, wie er im Frühjahr 1793 mit einigen Kameraden in Aachen von Aachener Bürgern in der Freimaurerloge versteckt wurde und sie in Mönchskutten aus der Stadt gebracht wurden. Aus Dankbarkeit dafür beschlossen die Generäle Aachen zu schonen. Noch am selben Tage zogen die Franzosen in Aachen ein. Das alles konnte man später in der Aachener Zeitung lesen.

Jeder Bürger musste ein Paar Schuhe und ein Paar Betttücher für die Besatzungssoldaten hergeben. Es gab auch Bestrafungen von Bürgern, die bei den Straßenkämpfen in Aachen 1793 gegen die Franzosen gekämpft hatten. Alle Waffen mussten abgegeben werden und am 26. September wurden Reichsthaler und Mark Aix gegen "Assignatengeld" eingetauscht. 

Ein neuer "Freiheitsbaum" wurde aufgerichtet, der Dom wurde seines Bleidaches beraubt (wie gut, dass der Domschatz weg war) und im ganzen Besatzungsbereich wurde die französische Verwaltung eingeführt. Im November 1794 wurden die Aachener Häuser, wie im französischen Verwaltungssystem üblich, durchnummeriert, eine Maßnahme, die auch später in Würselen erfolgte. Bei dieser Aktion wurden in Aachen 23.413 Einwohner gezählt. 

Am 23. Januar 1798 wurde Aachen zu Hauptstadt des sogenannten „Roerdepartementes“ ernannt. Dieses Departement bestand aus 40 "Kantonen". Würselen gehörte zum Kanton Burtscheid. Es wurde die allgemeine Gewerbefreiheit verkündet. Wer ein Gewerbe ausüben wollte, musste ein "Patent" beantragen und Gewerbegebühren bezahlen. Auch das kam später auf uns in Würselen zu.  

In Frankreich begann mit der Konsularregierung die Herrschaft Bonapartes, der zum ersten Konsul gewählt wurde. Von nun an ernteten die Franzosen durch ihre siegreichen Schlachten Ruhm und Ehre. Das linke Rheinufer wurde erobert, die Niederlande wurden in eine batavische Schwesterrepublik verwandelt. Die Österreicher wurden aus Italien vertrieben. Es entstand eine Zisalpinische und eine Ligurische Republik. Bonaparte schloss 1797 Frieden mit Österreich. 1795 war bereits Frieden mit Preußen und Spanien gemacht worden. Der Kirchenstaat wurde eine Römische Republik.  Missstände der Verwaltung wurden durch straffe französische Vorschriften beseitigt. 

Ab März 1798 wurden alle Gerichtsverhandlungen in französischer Sprache geführt und protokolliert. Alle amtlichen Schriftstücke mussten in Französisch ausgeführt werden. Ab Mai 1798 wurden die Personenstandsregister eingeführt, Kirchenbücher wurden eingezogen, Standesämter errichtet. Geburten, Heirat und Tod wurden dort registriert. Diese französische Verwaltungsreform war ein echter Gewinn für unsere Region. 

Die bisherigen kirchlichen Aufschreibungen waren sehr unterschiedlich, je nach der Eigenart des örtlichen Geistlichen. Sie waren teils lateinisch, teils deutsch geschrieben und sehr verschieden in der Ausführung betreffend Paten Zeugen und registrierten Daten. Das war jetzt anders und genau vorgeschrieben, was zu registrieren war. Die Schwierigkeit war nur, dass die meisten Bewohner nicht der französischen Sprache mächtig waren. Auch in Bildung und Einrichtungen von Grundschulen und höheren Schulen waren die Franzosen uns voraus. Am 18. 7. 1801 wurden die französisch besetzten Rheinlande als zu Frankreich gehörig von der preußischen Regierung anerkannt. Nun waren wir Franzosen!!! Ein anderes wichtiges Ereignis gab es nach der Jahrhundertwende: Am 16.5.1802 wurde in einem Konkordat mit dem Vatikan und Frankreich Aachen zum Bistum erklärt. Marc Anton Berdolet wurde zum Bischof von Aachen ernannt. Zum Bistum Aachen gehörten nun auch die Mairien Würselen, Bardenberg, Broich und Weiden. 

1804 weilte Napoleon I. mit großem Generalstab in Aachen. Er erließ ein Dekret zum Straßenbau für eine Straße von Aachen über Kornelimünster, Roetgen nach Monschau. Im Dezember 1804 wurde Napoleon I. in Aachen zum Kaiser gekrönt. 

In Aachen machten Schulwesen und Industrialisierung Fortschritte. 1810 gab es in Aachen zwei bedeutende Tuchfabriken: E. Conrad Claus mit 258 Arbeitern und einem Vermögen von ca. einer Million Fr.F. und Ignatz von Houtem mit 292 Arbeitern und einem Vermögen von ca. 900.000 Fr.F. 1811 gab es in Burtscheid 17 Nähnadelfabriken mit 1200 Arbeitern und eine Stecknadelfabrik mit ca. 160 Arbeitern (meist Kinder). 1812 wurde eine neue Haus- und Einwohnerzählung durchgeführt, die für Aachen 2.711 Häuser mit 30.137 Einwohnern und für Burtscheid 4.457 Einwohner ergab. 

Von einem anderen Ereignis aus der "Franzosenzeit", das direkt unsere Familie betraf, möchte ich noch berichten: Einer der Brüder meines Vaters, der Onkel Franz Jacob, lebte, wie der Rest der Familie, in Ürzig an der Mosel. Er hatte 3 Söhne und 5 Töchter, die meine Vettern und Cousinen waren. Einer dieser Vettern wiederum, ein Jacob Franz, der 1743 geboren war, war verheiratet mit Maria Helene Scherr. Sie hatten 5 Söhne und 3 Töchter. Die zweite und dritte Generation unserer Familie war also schon sehr kinderreich. Das von meinem reichen Großvater vererbte Vermögen zerrann in diesen Großfamilien sehr schnell. 

Einer der fünf Söhne des Jacob Franz, er hieß Peter, versuchte sein Glück auf der Landstraße als fahrender Händler. Er war am 19.03.1772 in Ürzig geboren, zwei Jahre älter als mein Sohn Henricus. Als die Franzosen das Land besetzten, schloss er sich einer Räuberbande, der berühmt berüchtigten "Schinderhannes – Bande" an. Man konnte darüber in den Zeitungen lesen und so erfuhr auch ich es durch meinen Sohn Henricus, der ja auch als fahrender Händler unterwegs war. 

Der Peter, der auch der "schwarze Peter" genannt wurde, hatte sich spezialisiert auf den Raub von Pferden (darauf stand die Todesstrafe). Man muss wissen, dass in dieser Zeit die Franzosen viele Pferde für ihre Armee von den Bauern requirierten. Manche Bauern blendeten sogar ihre Pferde, damit sie für die Armee nicht tauglich waren. Peter stahl hauptsächlich den französischen Offizieren ihre Pferde bei Nacht. Er verkaufte das wertvolle Sattelzeug und die Pferde brachte er bei den Bauern unter. So wurde er einer der gesuchtesten Banditen, der von den Franzosen steckbrieflich gesucht wurde. Immer wieder versteckten ihn die Bauern, obwohl er auch andere schlimme Straftaten beging, wie Erpressung von Geldern hauptsächlich im Namen des "Schinderhannes" von Juden. Der Schinderhannes wurde schließlich gefasst und in den Verhören belastete er den Peter schwer. Schließlich wurde auch der "schwarze Peter" am 17.07.1802 in Monzel bei Ürzig von einem Winzer bei der Jagd in einem Kornfeld gestellt und erschossen. So blieb ihm der Tod durch Erhängen erspart, zu dem der "Schinderhannes" verurteilt wurde. 

Das ist der "schwarze Fleck" in unserer Familiengeschichte, den ich nicht verschweigen wollte. 

Meine zweite Hochzeit im Jahre 1790 feierten wir in einem bescheidenen Rahmen zu Hause in Grevenberg. Nach der kirchlichen Trauung gab es einen Umtrunk mit Bier und auch ein paar Schnäpsen und zur Feier des Tages einen deftigen Eintopf mit Kartoffeln, Bohnen, Speck und Wurst. Fleisch gab es bei uns sonst selten. Henricus war mit seinen 20 Jahren schon recht gut in das Handelsgeschäft eingestiegen. Die für mich schon etwas beschwerlicheren Touren fuhr er schon selbständig. Ich kümmerte mich um den Einkauf und die Tourenplanung. 

Wir waren die einzigen fahrenden Kaufleute in Würselen. Es gab sonst nur Handwerker bei denen man kaufen konnte, wie Kesselmacher, Schuhmacher, Bäcker, Dachdecker, Bierbrauer, Drechsler, Färber, Fassbinder, Fuhrleute, Nadelmacher, Näherinnen, Schneider, Schlosser, Schmiede, Pflasterer, Schankwirte, Weber, Spinner und Zimmerleute, aber auch sogenannte Wiederverkäufer. 

Das waren kleine Handelsgeschäfte mit einem festen Laden, die hauptsächlich mit Lebensmitteln handelten und zum Teil auch Gebrauchsgegenstände bei uns kauften. 

Bei uns liefen die Geschäfte so, dass wir Gebrauchsgegenstände, wie Messer, Scheren, Töpfe, Pfannen, Eimer usw., aber auch Anzug und Kleiderstoffe, Nähbedarf, wie Knöpfe und Garne, Nadeln und auch neue und gebrauchte Kleider, Anzüge, Mäntel, Socken, Strümpfe Hemden und Blusen anboten. Es gab bei uns keine Lebensmittel. 

Die Tourenplanung erfolge meistens nach Ortsteilen. So fuhren wir z. B. morgens von Grevenberg über den Lehmweg nach Bissen, boten dort unsere Waren durch Ausrufen an. Von dort ging es weiter nach Würselen. Damit war schon ein ganzer Tag ausgefüllt. Vielfach erhielten wir Bestellungen für Teile, die wir bei der nächsten Tour mitbringen sollten. Die wurden dann sorgfältig aufgeschrieben und nach Möglichkeit beschafft. Bei Kleidern und Nähbedarf erfolgte das meist in Aachen. Gebrauchsgegenstände kauften wir überwiegend bei den ortsansässigen Handwerkern ein. Zurück ging dann die Fahrt über den Lümeth nach Elchenrath, von dort den Kreuzweg überquerend nach Grevenberg zurück. Eine andere Tour ging von Grevenberg über Neuhaus nach Scherberg, von dort nach Schweilbach und zurück nach Grevenberg. 

Große Touren waren die von Grevenberg über Morsbach nach Bardenberg an der Grenze zum Jülicher Reich, oder von Grevenberg über Bissen, Würselen, Oppen, Haal. Die Einkaufsfahrten nach Aachen führten immer über „Neuhaus“ auf einer befestigten Straße. 

Mein Sohn Henricus lernte nach meiner zweiten Heirat ein Mädchen kennen, das er 1792 ehelichte. Es war die Gärtnerin Anna Maria Feiter aus Grevenberg, die er am 22. April 1792 in St. Sebastian zu Würselen heiratete. Mit ihr hatte er vier Kinder: Anna Maria Catharina wurde im April 1793 geboren, Anna Maria im Mai 1795, Johann Josef im April 1797, der jedoch bereits im August des gleichen Jahres verstarb und Maria Catharina im November 1798. Kurz nach dieser vierten Geburt verstarb die von uns allen so geschätzte Anna Maria im Jahre 1800. Sie hatte es sehr gut verstanden, aus unserem kleinen Garten hinter dem Haus uns mit Gemüse und Kartoffeln zu versorgen und war außerdem eine gute Köchin. 

Aus meiner Familie heiratete Anna Maria 1795 in St. Peter in Aachen einen Heinrich Former. Sie wohnten in Aachen in der Sandkaulstraße. (Sie starb 1850). Später zogen sie nach Würselen. Heinrich Former war von Beruf Spinner. 

Mein Sohn Henricus heiratete nach dem Tod seiner ersten Frau ein zweites Mal im Februar 1801 die 29jährige ledige Johanna Maria Pütz aus Würselen. Aus dieser Ehe sollten dann später noch fünf Kinder hervorgehen, drei Mädchen und zwei Jungen. Der 1802 geborene Peter Josef starb bereits 1812, der zuletzt geborene Peter Paul, geboren am 10. 07.1813, sollte dann später unseren Stamm weiter fortsetzen. 

Doch nun zurück zur Zeit der französischen Besetzung in Würselen. Von der französischen Besetzung 1792 in Aachen habe ich schon berichtet. Erst 1793 hörten wir von Kämpfen bei Aldenhoven. Französische Truppen mit Verwundeten zogen durch und wir hörten von einem "Befreiungsfest" in Aachen. Dieser Zustand der Befreiung dauerte – wie berichtet - aber nicht lange. Schon im September 1794 kamen die Franzosen wieder und sie bestraften alle, die sie in den Straßenkämpfen In Aachen bekämpft hatten. 

In St. Sebastian war Kaplan Holzapfel der kirchliche Verwalter. Er widersetzte sich unerschrocken dem ungestümen und gottlosen französischen Heer. Er hatte seine Grundsätze: obwohl er der französischen Sprache mächtig war, sprach er mit den Franzosen kein Wort französisch! Er und der Pfarrer Müllejans von St. Sebastian hatten nicht nur die Einwohner der Mairie Würselen, sondern auch die Mairie Weiden seelsorgerisch zu betreuen. Die Größe der Pfarrei war enorm. Es gehörten dazu: Oppen, Haal, Drisch, Dobach, Bissen, Elchenrath, Grevenberg, Morsbach, Schweilbach, Theut, Neuhaus, Scherberg, Hochbrück – St. Jobs, Werst, Weiden in Werst, Weiden, Dommerswinkel, Feld und Wambach. 

In dem benachbarten Haaren kam es im September 1794 zu starken Belästigungen des dortigen Pfarrers durch französische Soldaten. Es wurde berichtet, dass sie den Pfarrer H.J. Beys mit Bajonetten bedrohten und den Hausrat des Pastorates plünderten. Am 28. September 1794 verlegte man das Hauptquartier von Burtscheid nach Haaren. Mit dem General Jourdan kamen weitere 7 Generäle und viele Offiziere und Mannschaften mit Pferden, ca. 400 an der Zahl nach Haaren. Das war für die Haarener Bevölkerung eine schwere Last. 

Pfarrer Müllejans war auch gleichzeitig Bürgermeister. Ab 1798 musste er alle Urkunden in französischer Sprache ausstellen. So wurde z. B. die Todesurkunde der Maria Therese, Tochter meines Sohnes Henricus, die mit fünf Jahren am 26.10.1798 verstarb, vom Bürgermeister Müllejans in französisch ausgestellt, und zwar am 26. Brumaire des Jahres VII des französischen Kalenders! 

Außer dem Bürgermeister Müllejans für Würselen gab es weitere Bürgermeister: in Schweilbach war es der Landwirt Peter Ramion, in Scherberg der Landwirt Phillipp Creutz, in Morsbach Franz Aretz. Für uns einfache Leute war das mit der französischen Sprache schon eine große Schwierigkeit und nun kam auch noch dieser verrückte Kalender dazu. 

Im Jahre 1799 machten die Franzosen in Würselen eine Einwohner Zählung und Registrierung .Die Häuser wurden in den einzelnen Ortsteilen durchlaufend nummeriert, Straßennamen gab es nicht mehr. Ein Soldat und ein Zivilbeamter mit einem Dolmetscher gingen von Haus zu Haus und schrieben Namen und Alter der Hausbewohner, die älter als 12 Jahre waren, auf. Diese Zählung wurde später im Jahre 1801 noch einmal wiederholt. Mein Sohn und ich mussten ein "Patent" (Handelsgewerbe) anmelden. Bei den Aufschreibungen kam es vielfach zu Falschmeldungen, hauptsächlich verursacht durch Sprachschwierigkeiten. 

Meine Händlertätigkeit habe ich im Alter von 67 Jahren aufgegeben und alles meinem Sohn Henricus übertragen. Schmerzen im Kreuz und in den Beinen ließen diese Tätigkeit nicht mehr zu. So arbeitete ich als Tagelöhner, hauptsächlich als Anstreicher. 

Meine zweite Frau Maria Elisabeth (Kelleter) starb bereits 1805. Bei Anstreicherarbeiten im Ortsteil Drisch lernte ich die Ww. Boehnen kennen, eine geborene Maria Kahlen. Wir beschlossen uns zusammen zu tun. So kam es zu der dritten Hochzeit auf dem Standesamt der Mairie Würselen am 25. April 1811. Die Heiratsurkunde wurde in französischer Sprache ausgestellt. Leider dauerte unser Glück nicht lange. Maria starb bereits 1812, ein Jahr nach unserer Hochzeit im Alter von 58 Jahren. Nun war ich wieder mit 78 Jahren allein. 

Im Jahre 1814 ging die Franzosenherrschaft Im Rheinland zu Ende. Ich war dankbar für das lange Leben, das mein Schöpfer mir geschenkt hatte. Wenn ich die 80 überschreiten würde, so wäre das für die damalige Zeit ein biblisches Alter. So verabschiede ich mich nun von den Lesern meiner Lebensgeschichte. Obwohl es viele Entbehrungen und Rückschläge in meinem Leben gegeben hat, tut mir kein einziger Tag leid. Mein Motto war immer: 

"Du kannst deinem Leben keinen einzigen Tag hinzufügen, aber jeder einzelne Tag ist ein Geschenk Gottes und du kannst es mit Leben füllen!" 

Jacobus starb am 13.03.1816 in Grevenberg im Alter von 81 Jahren.