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Unter der Stuckdecke nach der Urururgroßmutter fahnden
Familien-Stammbäume sind das neue Trendgeschenk zu Weihnachten

Von KNA-Redakteurin Veronika Eckl
 

Manchmal genügt schon der Klang eines Namens, damit Menschen die Tür zu ihrer eigenen Vergangenheit aufstoßen. Der Klang des Namens Apollonia Jratschki zum Beispiel. «Der hat mir so gut gefallen, ich wollte wissen, wer diese Frau war», sagt Rosemarie Dinkel. Als junges Mädchen war sie auf Papieren im Bücherschrank ihres Vaters auf ihre Urururgroßmutter gestoßen. Zeit nachzuforschen fand die Münchner Geschichtslehrerin jedoch nie - bis zu ihrem Ruhestand.

Die Spur führte durch mehrere staatliche Archive bis nach Franken. «Versuchen Sie es doch einmal im Erzbischöflichen Archiv in Bamberg», lautete ein Tipp. Dort entdeckte die Historikerin tatsächlich die Geburts- und Heiratsurkunden ihrer Vorfahren - und weiß jetzt, dass Apollonia die Tochter des Fasanenjägers von Schloss Seehof war.

So wie Dinkel geht es vielen. Die Familienforschung boomt, und die Kirchenarchive werden von Besuchern regelrecht gestürmt. «Seit etwa fünf Jahren merken wir einen richtigen Trend, besonders bei den heute ja sehr rüstigen Rentnern», sagt Peter Pfister, der Archivleiter im Erzbistum München und Freising.

Rund 2.000 Privatpersonen im Jahr stöbern hier unter einer barocken rosa Stuckpracht in alten Tauf-, Trau- und Sterbebüchern. Bis zu 900 Anfragen erreichen das Archiv außerdem per Post. «Da schreiben dann Amerikaner: Mein Urgroßvater kam aus Bayern, können Sie mir weiterhelfen?», erzählt Pfister.

Sehr oft können die Archive das - allerdings sollte man wissen, aus welcher Gemeinde die Oma stammte. Dann lässt sich meist auch die Linie der Familie zurückverfolgen. Seit das Konzil von Trient im 16. Jahrhundert das Führen von Matrikeln anordnete, ist ein einzigartiges Datennetz entstanden. Wer Informationen aus der Zeit vor 1876 braucht - damals wurden die Standesämter eingeführt
- kommt um die kirchlichen Archive nicht herum.

Ein bisschen Zeit sollte man allerdings mitbringen. «Viele wollen zu Weihnachten gerne einen Familien-Stammbaum verschenken - aber wenn man 14 Tage vor dem Fest anfängt, wird das garantiert nichts
mehr», kommentiert Pfister mit feinem Lächeln. Rosemarie Dinkel war ihren Vorfahren jahrelang auf der Spur, entzifferte altdeutsche Schriftzüge und lateinische Urkunden. Sie hatte Glück: Weil Apollonias Mann Johann Conrad Dinkel bei Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal in Seehof Fasanenjäger werden wollte, lag ein ganzer Stapel Bittschriften und Gesuche im Bamberger Archiv.

«Das Faszinierende an der Familienforschung ist, dass man in eine ferne Welt eintaucht, Menschen in ihrer Zeit nahe kommt», sagt die Hobby-Forscherin. «Es ist, als ob man einen Stein ins Wasser
wirft, und plötzlich ersteht aus diesen Urkunden ein Mensch.» Pfister spricht von einem menschlichen Grundbedürfnis, in Zeiten der Globalisierung das hinter einem Namen verborgene Schicksal zu
entdecken. «Deshalb nehmen wir jede Anfrage sehr ernst.»

Rosemarie Dinkel weiß heute, dass ihre Urururgroßmutter Apollonia vier Kinder bekam, einen schwierigen Ehemann hatte und so tüchtig war, dass man ihr zeitweilig die Leitung der fürstbischöflichen Fasanenzucht übertrug. Dafür hat sich die jahrelange Recherche
gelohnt, findet sie. Manchmal fährt die ältere Dame heute in die Heimat ihrer Vorfahren und spaziert durch den Park von Schloss Seehof. «Dann habe ich das Gefühl, es geht jemand mit mir auf
diesen Wegen. Vielleicht ist es die Apollonia.»